Pressemitteilung
Standort Lülsdorf
21. November 2013

Teil 17: Erster Tag der offenen Tür

Das gestiegene Interesse am Umweltschutz und die damit verbundenen Gesetzesänderungen in den 1970er Jahren hatten weitreichende Folgen für den Chemiestandort Lülsdorf (Teil 16 unserer Serie). Auch in den 1980ern waren die Veränderungen im Werk zu spüren: Die verbesserte Klärung von Abwasser (Teil 11 unserer Serie) wurde vorangetrieben und die Anlagen auf umweltfreundlichere Verfahren umgestellt. Ein Restgas-Gemisch aus Chlor und Luft, das beim Elektrolyse-Prozess anfiel, bereitete dem Werk bis zum Anfang der 80er Jahre dennoch Probleme. Die Vernichtung des Chlors mit Kalkmilch entsprach viele Jahrzehnte lang dem damals aktuellen Stand der Technik, war aber nicht immer ohne Chlorfreisetzung beherrschbar. Eine Absorptionsanlage mit Natronlauge war die Lösung. Wenn sich die stark ätzende Lauge an Chlor chemisch bindet, wird sie zur Natronbleichlauge.

Diese wird vor allem als Desinfektionsmittel eingesetzt. Die Anlage musste zwar technisch aufwendig aufgerüstet werden, war seitdem aber weitaus umweltfreundlicher. Gleichzeitig konnte das Werk die nun anfallende Natronbleichlauge weiterverwerten und verkaufen. Auch im Korund-Betrieb trug man den Anforderungen an die Arbeitssicherheit und Umweltschutz Rechnung. So wurden die Mahlstraßen des Betriebs 1982 auf den neuesten technischen Stand gebracht und alle drei Mahlanlagen mit modernsten Staubfiltern ausgerüstet. Die beim Mahlen von Korund anfallenden großen Staubmengen konnten durch die neue Filter nun sicher sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Umwelt entsorgt werden.

Schwere Chemieunfälle

Leider blieb das Werk auch in den 1980er Jahren nicht von größeren Schadensereignissen verschont. Im September 1981 brannte der EDC-Einsatztank der Vinylchlorid-Anlage. Grund dafür war ein Stoffaustritt in der Nähe des Spaltofens. Ein Mitarbeiter erlag den Folgen der schweren Brandverletzungen. Vier Jahre später ereignete sich im Mai ein weiteres Unglück in der Hydrieranlage. Ein im Erdgeschoss gelagertes Produkt entzündete sich selbst und verursachte einen verheerenden Brand. Erst die alarmierte Werksfeuerwehr konnte das Feuer löschen, dennoch entstand ein großer Sachschaden. Glücklicherweise trug jedoch kein Mitarbeiter schwere Verletzungen davon. Für die direkten Anwohner in Lülsdorf bestand bei den Unglücken keine Gefahr. In der Gesamtgesellschaft war das Vertrauen in die Chemische Industrie jedoch auf einem Tiefpunkt gesunken. Auslöser war die Umweltkatastrophe von Seveso (Italien) mit weitreichen Folgen für Umwelt und Anwohner (siehe Kasten). Die Chemische Industrie in Deutschland erkannte, dass nur durch Hinwendung zu Bevölkerung und Öffentlichkeit das Vertrauen wiederzugewinnen sei. Am 1. und 2. Oktober 1983 veranstaltete sie deshalb den ersten „Tag der offenen Tür“. Bundesweit öffneten zahlreiche Werke ihre Tore und vermittelten der Öffentlichkeit erstmals Einblicke in die Arbeit der Industrie. Der Erfolg in Lülsdorf war überwältigend: Rund 3.000 Besucher kamen ins Werk und informierten sich innerhalb der Werksmauern über den Standort. Die stetige Umstellung der Anlagen auf umweltfreundliche und sichere Prozesse und Verfahren trieb der Standort Lülsdorf seit Mitte der 1980er Jahre weiter voran.
So wurde im Elektroschmelz-Bereich ein moderner Kipp-Ofen installiert. In vielen Anlagen wurden Staubfilter installiert und Maßnahmen ergriffen, um den Lärm in der Anlage zu mindern. Zur Vorbeugung von Ruß-Emissionen stellte das Werk zusätzlich alle Großfeuerungsanlagen von Heizöl auf umweltfreundlicheres Erdöl um. Die in der Vergangenheit möglichen Emissionen waren damit vollends ausgeschlossen und die Anlagen entsprachen den neuen Anforderungen des Gesetzgebers an die Abgasqualität.

Das Unglück von Seveso

Am 10. Juli 1976 ereignete sich in einer chemischen Fabrik im italienischen Seveso – etwa zwanzig Kilometer von Mailand – ein schwerer Chemieunfall. Dabei trat eine unbekannte Menge des giftigen Stoffes Dioxin TCDD, auch nur unter dem Kurznamen Dioxin bekannt, aus. Rund 200 Menschen erkrankten an der „Chlorakne“. Auch etwa 3.300 Tiere verendeten qualvoll, da diese zuvor von den vergifteten Weiden und Pflanzen gefressen hatten. Das Umland blieb über Jahre vergiftet. Die Bevölkerung wurde unzureichend und spät informiert, der Stoffaustritt zunächst sogar verschleiert.