Pressemitteilung
Standort Lülsdorf
11. Juni 2013

Teil 7: Das Werk Lülsdorf im Zeitalter des Nationalsozialismus

Mit der Machtübernahme Adolf Hitlers begann in Deutschland und damit auch in Lülsdorf ein finsteres Kapitel seiner Geschichte. Die wachsende Rüstungsindustrie des nationalsozialistischen Deutschlands führte zunächst zu einem allgemeinen industriellen Aufschwung, der sich auch in der „Feldmühle“ bemerkbar machte: Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges im September wuchs die Nachfrage nach Korund, das für die Produktion von Schmiermittel benötigt wird. Eine militärisch veranlasste Abdunkelung mit Planen sollte verhindern, dass Licht nach außen dringen konnte und so den Standort der Produktionsstätte verraten hätte. So starben während des Zweiten Weltkriegs innerhalb von nur sechs Jahren zehn Mitarbeiter. Doch nicht etwa der Krieg war dafür verantwortlich, sondern vielmehr die Verdunkelung der Produktionsgebäude:denn nicht nur das Licht fand keinen Weg mehr aus dem Gebäude, auch Staub und Gase wurden in der Halle gefangen. Die Mitarbeiter verstarben an der sogenannten „Aluminiumlunge“. Die bei der Produktion entstehenden Gase, die normalerweise entweichen können und in geringer Konzentration nicht gesundheitsschädlich sind, setzten sich in hohen Konzentrationen in der Betriebsstätte ab.

 

Kriegsschäden und Zwangsarbeiter

Durch den Krieg wurde die Rüstungsindustrie weiter angeheizt. Insbesondere die Stahlindustrie hatte einen steigenden Bedarf an Edelkorund. Gleichzeitig wurden immer mehr junge Männer zum Wehrdienst eingezogen, wodurch ein zunehmender Mangel an Arbeitskräften entstand.Als Ersatz für die fehlenden Arbeiter wurden ab 1942 Kriegsgefangene und sogenannte Fremdarbeiter eingesetzt. Bei Fremdarbeitern handelte es sich zu dieser Zeit um meistens verschleppte Männer und Frauen aus den von Deutschland besetzten Ländern, in der Regel also Zwangsarbeiter. Die weiblichen Zwangsarbeiterinnen waren vorwiegend Russinnen und Ukrainerinnen. Aber auch Zivilisten aus Italien, Belgien, den Niederlanden, Spanien und Polen wurden zur Arbeit gezwungen. Die männlichen Kriegsgefangenen stammten zum größten Teil aus Frankreich. Gegen Ende des Krieges sind etwa 300 Kriegsgefangene im Werk Lülsdorf nachweisbar beschäftigt. Obwohl im Werk selbst durch Kampfhandlungen kein Arbeiter sein Leben verlor, hatte der Zweite Weltkrieg jedoch verheerende Folgen für die Produktion. 1944 machten sich die Luft-Angriffe immer stärker bemerkbar, denn die Stromversorgungsanlagen der RWE wurden stark beschädigt. Von diesen Anlagen war das Werk in Lülsdorf aber vollständig abhängig.Zudem kamen durch die Flieger- Angriffe viele Anwohner ums Leben. Ein Bericht der Werksleitung vom 6. März 1945 vermittelt einen Eindruck des Krieges:

„Am heutigen Tage, (…) schließen wir den Betrieb und stellen die deutsche Gefolgschaft bis auf eine Notbelegschaft (…) ab. Die noch hier befindlichen ausländischen Arbeitskräfte gehen ab heute in die Betreuung der NSDAP über, bleiben aber in unserem Lager untergebracht.(…) Der Feind steht auf dem linken Rheinufer im Augenblick in etwa zehn Kilometer Entfernung; unser Werk liegt bereits unter Artilleriebeschuss.Wir hatten diesen Morgen kurz vor 7 Uhr bereits sechs Artillerietreffer, die teilweise Gebäude trafen und einen leeren Chlorkesselwagen durch Splitter beschädigten.(…) Durch die austretende Chlorwolke aus dem Kesselwagen, (…) wurden rund zehn Russinnen schwer und etwa 20 Russinnen leicht gasvergiftet. Inzwischen haben wir die schweren Fälle zum Krankenhaus nach Siegburg abtransportiert.“

 

Mehr über: Zwangsarbeit in der Gedenkstätte Bonn

Das Thema Zwangsarbeit wird auch in der Gedenkstätte Bonn dokumentiert.Die ständige Ausstellung gibt Einblicke über Verfolgung, Leid und Ermordung der Opfer des Nationalsozialismus. Sie zeigt die Willkür des NS- Regimes und ihre Auswirkungen auf den Alltag, aber auch Versuche von Widerstand und organisierter Opposition in Bonn und Umgebung.

Weitere Informationen unter:
http://www.ns-gedenkstaetten.de/