Standort Marl
19. November 2014

Ein Lippe-Düker für die Erdgaspipeline

Marl, 19. November 2014. Die Evonik-eigene Fernleitung FG 7, DN 200, verläuft von Legden bis Marl und versorgt den Chemiepark mit Erdgas. Die über 40 Kilometer lange Leitung ist eine der wichtigsten Erdgasverbindungen des Standorts und wird vom Fernleitungsbetrieb der Site Services betrieben. Sie kreuzt dabei, an der Lippebrücke des Oelder Weges hängend, den Fluss. Da geplant ist, die Brücke wegen Alterung zurückzubauen, ist die Fernleitung in dem Bereich neu zu verlegen. Danach sollen die Deiche in größerem Abstand von der Lippe neu errichtet werden.

Bei den Vorplanungen wurden verschiedene Kreuzungsvarianten in Betracht gezogen. Der Bau einer Rohrbrücke fiel schon deswegen aus, weil die erforderliche Brückenspannweite nach der Rückverlegung der Deiche zu groß und die Brücke unverhältnismäßig teuer geworden wäre.

„Wir kamen zu dem Schluss, dass die grabenlose Verlegung mittels HDD eine schnelle, sichere und günstige Variante der Ausführung darstellt“, sagt Projektmanager Martin Kemper, Senior Manager Pipelines. „Um die Eingriffe in das Deichvorland zu minimieren, haben wir die Ein- und Austrittspunkte der Bohrung so gewählt, dass das Naturschutzgebiet weitestgehend nicht beeinträchtigt würde.“

HDD bedeutet „Horizontal Directional Drilling“, übersetzt: Horizontalspülbohrverfahren. Das ist eine Richtbohrtechnik für Horizontalbohrungen. Damit können Rohrleitungen unterirdisch verlegt werden, ohne dazu einen Graben ausheben zu müssen. Die Bohrungen können mehrere hundert Meter lang sein. Die Horizontalspülbohranlage bohrt einen unterirdischen Kanal und zieht im Rückzug ein oder mehrere Produkt- oder Leerrohre ein. Die Anlagen arbeiten mit Zug- und Schubkraft, Drehmoment (Rotation), Spülung und dynamischer Schlagkraft. Das HDD-System besteht aus einer Horizontalspülbohr- und Bentonitmischanlage sowie einer Antriebsstation für den Betrieb der Mischanlage.

Unter dem Deichvorland und der Lippe

Ausgehend vom Nordparkplatz des Chemieparks sollte die Bohrung in über 30 Metern Tiefe unter dem Deichvorland und der Lippe geführt werden und hinter den Deichen wieder austreten. Zwei senkrechte Erkundungsbohrungen gaben Aufschluss über die geologischen Verhältnisse des Baugrundes.

Gleichzeitig konnte damit die Tiefe einer eingerammten Spundwand im Deichvorland verifiziert werden. Unter Beachtung des zugelassenen minimalen Biegeradius´ des Stahlrohres wurde schließlich die Bohrkurve ermittelt und in dem Bauausführungsplan festgelegt.

An der Startbaugrube auf dem Parkplatz wurden das Bohrgerät und die für die Bohrspülungsverarbeitung notwendigen technischen Zusatzgeräte aufgebaut. Das Widerlager für die Bohranlage mit 50 Tonnen Zugkraft bildeten eingerammte Spundbohlen.

Am 29. September setzte der Bohrkopf an und wurde über ein Gestänge, das Stange um Stange verlängert wurde, bei Drehbewegungen in den Boden gedrückt. Gleichzeitig wurde zur Stützung des Lochs eine schwere Bentonitmischung (biologisch verträgliches Ton-Mais-Gemisch) durch das Rohr zu dem Bohrkopf gedrückt.

Zurücklaufendes Bentonit wurde aufgefangen und vor Ort wieder aufbereitet, um es erneut in das Bohrgestänge zu pumpen. Mit der gesteuerten Pilotbohrung unterhalb der Lippe und der 20 Meter tiefen Spundwand durch Geröll- und Mergelschichten wurde der anvisierte Austrittspunkt nahe der Absperrstation der Fernleitung unter Beachtung der vorgegebenen Bohrkurve exakt getroffen.

Nachdem der Pilotbohrkopf an der Austrittsseite jenseits der Lippe nach vier Tagen wieder das Licht der Welt erblickt hatte, wurde er demontiert und ein Aufweitkopf montiert, der dann das Bohrloch für den Rohreinzug aufweitete.

An der gegenüberliegenden Seite der Lippe wurde zwischenzeitlich der 370 Meter lange Rohrstrang vorgefertigt, der später durch das Bohrloch eingezogen werden sollte. Jede Schweißnaht wurde geröntgt, einer Magnetpulverrissprüfung unterzogen und von Sachverständigen abgenommen.

Neue Maßstäbe im Pipelinebereich

Nachdem die Dichtheit und Festigkeit des Rohrstranges durch eine Druckprüfung mit einem Innendruck von über 200 bar bestätigt worden war, konnte das doppelt isolierte Rohr an den Schweißstellen nachisoliert werden. „Die isolierende Rohrumhüllung muss langlebig, abriebfest und stabil sein“, erklärt Kemper.

Die hierzu eigens entwickelten Materialien aus Polyamid von Evonik setzen neue Maßstäbe im Pipelinebereich und verdrängen die klassischen Glasfaserprodukte. "Die Qualität der Rohrumhüllung ist ein wesentlicher Baustein für die Langlebigkeit und den sicheren Betrieb der Pipeline. Zusätzlich prüfte der Fernleitungsbetrieb vor, während und nach dem Einzug des Rohrs die fehlerfreie Isolierung des Rohrs durch verschiedene elektrische Messverfahren.“

Schließlich wurde der Rohrstrang in Richtung des Chemieparks durch das Bohrloch eingezogen – ebenso zwei Schutzrohre für die Verlegung der Glasfaserkabel, die für die Überwachung und Steuerung der Pipeline notwendig sind. Die ökologische Baubegleitung stellte sicher, dass Natur- und Artenschutz fachlich angemessen berücksichtigt wurden.

Im weiteren Verlauf folgen die Verlegearbeiten für die Anbindung des neuen Dükers an die mit bis zu 64 bar betriebene Erdgaspipeline. Vorab werden bereits alle Arbeiten durchgeführt, die ohne Abstellung der Pipeline durchführbar sind.

Die Einbindung selbst erfolgt bei der nächsten Leitungsabstellung in Abstimmung mit den Betrieben. „Wir sind erst dann zufrieden mit einem Projekt, wenn die Betriebe im Chemiepark Marl möglichst nichts davon mitbekommen“, betont Martin Kemper.