Standort Marl
6. März 2015

Das letzte „Glück auf“ ist gesprochen

Fünf Mitarbeiter der RAG starten eine zweijährige Qualifizierung beim Werkschutz im Chemiepark Marl

Marl, 6. März 2015. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Oder eben ein Tor. In ihrem Fall das Tor des Chemieparks Marl. Fünf RAG-Mitarbeiter, die von der Schließung des Bergwerks Auguste Victoria am 1. Januar 2016 und vom planmäßigen Auslaufen des subventionierten deutschen Steinkohlenbergbaus betroffen sind, haben hier eine neue berufliche Heimat gefunden. Ermöglicht hat dies der unter dem gemeinsamen Dach der RAG-Stiftung geschlossene Kooperationsvertrag zwischen Evonik Industries und der RAG.

Im Februar starteten Oliver Arndt (47), Jürgen Bartsch (49), Marcel Grewe (31), Klaus Roschka (49) und Michael Wilken (48) eine zweijährige Qualifizierung zur IHK-geprüften Schutz- und Sicherheitskraft beim Werkschutz.

Ganz zur Freude von Peter Brans, Stellenakquisiteur und Personalvermittler bei der RAG: „Wir sind sehr dankbar, dass diese Möglichkeit besteht.“ Er ist Mitglied des Kooperationsteams, das die Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen umsetzt. „ Führungskräfte mit Personalbedarf können sich gerne an uns wenden. Es gibt verschiedene Lösungen von Probearbeit bis hin zu Qualifizierungsmaßnahmen, die wir flexibel absprechen und anpassen können.“

Thorsten Stillger ist als Recruiting Manager einer der Evonik-Vertreter in diesem Team: „Das Recruiting Center beobachtet den Stellenmarkt und tauscht sich mit den Kollegen der RAG aus, was für einen transparenten Vermittlungsprozess auf beiden Seiten sorgt. Wir bei Evonik haben ein großes Interesse daran, den RAG-Mitarbeitern den Einstieg in unserem Unternehmen zu ermöglichen. 2018 wird mit dem Steinkohleabbau Schluss sein. Wir wollen helfen, Perspektiven zu schaffen.“

So wurde zuletzt gleich für fünf Töpfe ein passender Deckel gefunden. „Für uns ist diese Situation nicht ungewöhnlich“, erklärt Werkschutz-Leiter Jörg Sievers. „Wir besetzen Stellen häufig mit Berufsfremden, die den Weg über eine zweijährige Ausbildung gehen.“

Er und sein Team bereiten die Quereinsteiger gut auf die anstehende IHK-Prüfung vor. „Wir starten mit einer etwa halbjährigen Einweisungsphase, an deren Ende die Sachkundeprüfung steht“, so Bernhard Grote-Westrick, Leiter Ordnungs- und Sicherheitsdienst. „Dann erfolgt die Ausbildung im regulären Schichtbetrieb an den Toren, im Streifendienst und im Objektschutz. Kurz vor der Abschlussprüfung bieten wir dann noch eine gezielte Vorbereitung durch vier Wochen theoretischen Unterricht sowie das Üben mit Prüfungsbögen.“

Für Männer mit langjähriger Berufserfahrung, die mitten im Leben stehen, eine Herausforderung. Aber eben kein Hindernis.

„Natürlich musste ich erstmal in mich hineinhorchen, ob ich bereit bin, nochmal zwei Jahre zu lernen, aber die Bedenken waren schnell weg“, sagt Michael Wilken. Spätestens beim Betreten der Einsatzzentrale, denn dort kam ihm einiges bekannt vor. Wilken war auf Auguste Victoria in der Sicherheitswarte tätig und für die Überwachung der Grubensicherheit unter Tage zuständig. Somit dürften sich einige seiner neuen Aufgaben mit den vorherigen decken.

Anders ist es bei Oliver Arndt, der zuletzt einen kaufmännischen Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Materialwirtschaft in der Abteilung Herrichten und Rauben hatte. Die Begriffe stehen für das Einrichten von Abbaugebieten beziehungsweise das Entfernen der Betriebsmittel nach Beendigung des Abbaus. „Als wir aber das Wort ‚Rauben‘ lasen, wussten wir, der gehört zum Werkschutz“, scherzt Bernhard Grote-Westrick.

Vom Ausbilder zum Auszubildenden wird Jürgen Bartsch. Seit 1989 brachte er unzählige angehende Schlosser und Elektriker durch die Abschlussprüfung. Nun muss er selbst noch einmal ran. „Mir gefällt es, auch weiterhin in meinem Beruf Kontakt mit vielen Menschen zu haben, denn das bin ich aus meiner Tätigkeit als Ausbilder gewohnt“, so Bartsch.

Für Klaus Roschka ist dies nicht der erste berufliche Neuanfang. Mit 15 machte er eine Lehre zum Fleischer und mit 22 zum Energieelektroniker. Warum dann mit 49 nicht Schutz- und Sicherheitskraft werden? „Ich suchte wieder einen Beruf, zu dem ich gerne gehe, nicht einfach eine Beschäftigung“, sagt Roschka. „Beim Werkschutz hatte ich direkt ein gutes Bauchgefühl. Da bin ich dann auch gerne bereit noch einmal zwei Jahre zu lernen.“

Als einziger zuletzt unter Tage hat Marcel Grewe gearbeitet. Für den Elektriker waren die ersten Tage beim Werkschutz daher nicht nur von der Tätigkeit neu, sondern auch temperaturmäßig ein kleiner Schock. „Um 5:30 Uhr am Tor zu stehen hat mich ganz schön durchfrieren lassen“, lacht der 31-Jährige und lässt sich davon aber nicht abschrecken: „Mein neuer Beruf bedeutet Verantwortung und ich habe Lust auf Verantwortung.“

„Sie machen alle einen sehr motivierten Eindruck“, stellte auch Christian Ronig, Leiter Werksicherheit, fest, als er die fünf an ihrem ersten Tag gemeinsam mit Standortleiter Prof. Dr. Walter Tötsch in Marl begrüßte. Dieser hieß die Neuen ebenfalls herzlich willkommen. „Ich freue mich, dass dieser Wechsel geklappt hat“, so Prof. Dr. Tötsch.

Der Betriebsratsvorsitzende im Gemeinschaftsbetrieb Marl Dieter Peters begrüßt die Beschäftigung von fünf neuen RAG Kollegen auch unter Berücksichtigung eines anderen Aspekts: „Ich freue mich sehr, dass mit dieser Maßnahme die Zukunftsfähigkeit unseres Werkschutzes gesichert ist und laufende Spekulationen damit beendet sind.“

Einen wichtigen Hinweis mit Augenzwinkern gab es noch von Prof. Dr. Tötsch: „Jetzt müssen Sie sich nur noch an eine andere Begrüßung gewöhnen.“ Denn für die fünf ist das letzte „Glück auf“ gesprochen.